Lebenslauf

1957 wurde ich an der Schweizer Grenze geboren, kurz nach der Unterzeichnung der „Römischen Verträge“ durch Frankreich, Italien, Belgien, Luxemburg, die Niederlande und die Bundesrepublik Deutschland. So hatte ich von Anfang an das Glück, in einem Deutschland zu leben, das nicht mehr so einfach größenwahnsinnig werden konnte. Meine Eltern und meine polnischen Verwandten hatten dieses Glück nicht.

Jedenfalls wurde ich mit den Düften von Maggi groß. Wenn der Wind ungünstig stand, roch meine südbadische Geburts- und Heimatstadt Singen am Hohentwiel nach Liebstöckel. Zeitlebens blieb mir deshalb „Maggikraut“ oder „Selleriekraut“ fremd.

Eigentlich hatte ich in meinem Leben etwas anderes vor als zu schreiben. Ich wollte Koch werden. In Bern, in der Schweiz. Doch da es 1976 nicht für alle Schweizer/innen eine Lehrstelle gab, bekamen sie Vorrang vor Ausländer/innen und ich musste auf die Ausbildung in Bern verzichten. Stattdessen begann ich eine Bäckerlehre in Konstanz. Backen schien mir eine gute Alternative zum Kochen, aber die Arbeitsbedingungen im Bäckereigewerbe waren unerträglich. So wurde ich immerhin Mitglied der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG). Der Gewerkschaft bleibe ich seitdem treu, heute bei Ver.di, auch wenn ich den Eindruck habe, dass die Organisation das Wesen von freier Autor/innen-Arbeit nicht wirklich versteht. Für mich jedenfalls mit ein Grund, Mitglied bei den Freischreibern zu werden, der Berufsverband, der sich für die Belange freier Journalistinnen und Journalisten einsetzt.

In den 90er Jahren fing ich an zu schreiben, erst mit ein paar Artikeln für das „Bremer Blatt“, dann auch für andere Magazine. Von Mitte bis Ende der 90er Jahre sammelte ich Biografien von Adoptiv- und Pflegekindern und deren Eltern, die ich in verschiedenen Büchern veröffentlichte. Das Schreiben machte mir Spaß. Und ich entdeckte, wie wichtig es mir ist, Menschen eine Stimme zu geben – die oft keine Stimme haben. Menschen, für deren Alltag sich nur wenige interessieren. In dieser Zeit begann auch meine Liebe zum Radio – machte ich aus meiner Lust aufs Zuhören einen Beruf. Als Audio-Didakt begann ich Radiofeatures und Reportagen zu schreiben und arbeite inzwischen seit über 20 Jahren für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk.

Im Gespräch mit Hugo Zingg (links) für das Feature "Halts Maul, du lügst. Verdingkinder in der Schweiz"